Stille Tage in Roissy by Saskia Weißer

Stille Tage in Roissy by Saskia Weißer

Autor:Saskia Weißer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Marterpfahl Verlag
veröffentlicht: 2015-06-10T04:00:00+00:00


XIV

Nach dem Treffen mit dem Juwelier ist für Emilie die Zeit gekommen, über ihre bisherigen Ergebnisse Bericht zu erstatten. Monsieur Chef bittet sie zu sich, hört ihr bis zu dem Punkt aufmerksam zu, an dem sie erklärt, Alain Petit hätte das Land verlassen wie die anderen drei, dann läßt sein Interesse rapide nach. Emilie versucht, ihm den Zusammenhang der mißhandelten Frauen zu beleuchten, rennt aber ins offene Messer, als sie die Mißhandlungsfälle konkretisieren soll. Die Fälle Nr. 1, 2 und 4 sind klar, was ist aber mit Nr. 3? Der Apotheker Victor Mambert ist nach jedem Polizeicomputer ein unbeschriebenes Blatt, keinerlei Anzeige liegt vor, weder von der Ex-Ehefrau noch von anderen weiblichen Wesen. Außerdem haben alle drei mißhandelten Frauen garantiert, weil gründlich überprüft, nichts mit dem Verschwinden ihrer Peiniger zu tun – Angeline Vanet am wenigsten, sie war ja schon etliche Monate tot gewesen, als Durand verschwand. Und wieso verschwanden die alleinstehenden drei mit ihren Koffern und der verheiratete ohne sie? Nein, nein, für den Chef sind Emilies Folgerungen nichts als wirre Mutmaßungen, Ausgeburten ihrer unterforderten kriminalistischen Fähigkeiten. Den schmuckkaufenden Herrn tut er mit einer lässigen Handbewegung ab – „es soll schon mal vorgekommen sein, daß jemand größere Mengen Schmuck bar gekauft hat, ohne etwas im Schilde zu führen“, meint er, und Emilie bekommt heftigen Juckreiz angesichts solcher Borniertheit. Sie sagt aber nichts, freut sich lieber über ihr Glück, daß sie den heutigen Tag noch gnadenhalber bekommt, ab morgen möchte sie sich bitte der aktuellen Bandenschießerei im benachbarten Wohnviertel zuwenden.

Nun – nach all dem – erscheint es Emilie statthaft, sich mit ihrem dritten Kaffee in die Kabine ihres Mentors zurückzuziehen. Cabot hört ihr wenigstens zu, als sie ihm den Fall erneut aus ihrem Blickwinkel schildert. Wie so oft kommentiert er ihre Ausführungen aber nicht, gibt ihr nur die Möglichkeit, ihre Gedanken durch Verbalisieren zu ordnen. Nein, Cabot würde einen Teufel tun und ihr irgendeine Lösung in den Mund legen, dazu verabscheut er schlechte und vor allem dumme Bullen zu sehr. Er hört sich den Fall höchstens an, wirft vielleicht die eine oder die andere Frage auf, die dem Vortragenden entgangen sein mochte, mischt sich aber weder in Wort noch in Tat in die Arbeit eines Kollegen ein; mit ein Grund, warum er für solche Rekapitulationen so oft als Hörerschaft herhalten darf – und warum er stets auf dem letzten Stand ist, egal, um welche Ermittlung es gerade geht.

Als Emilie sich schließlich auf die Socken macht, beschließt sie, wie ein Krebs „vor“-zugehen – also rückwärts. Hat sie bisher den letzten Fall – Fall Nr. 4 – bearbeitet, wird sie sich nun Fall Nr. 3 vornehmen – mal sehen, ob sie nicht doch das Skelett im Keller des Herrn Victor Mambert aufstöbert. Sollte es ihr gelingen, könnte ihr der Chef – wer weiß – sogar eine Extrafrist gewähren und mit der Bandenschießerei doch einen anderen Kollegen beglücken.



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